Macht die Leichtigkeit des Seins einsam?
Romanvorlage für diesen Film ist Milan Kunderas Buch "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins."
Seit ich diesen Roman gelesen habe, ist zuviel Zeit ins Land gegangen, um mich detailliert an Einzelheiten erinnern und konkrete Vergleiche zum Film herstellen zu können. Von daher beziehe ich mich bei meiner Rezension nur auf das, was ich gesehen habe.
Die Spieldauer des Films von Philip Kaufmann beträgt 166 Minuten.
Die Handlungszeit ist der so genannte "Prager Frühling", dessen jähes Ende und die düstren Monate danach.
Zwischen Januar und August 1968 gab es in der damaligen CSSR unter der Führung von A. Dubcek einen Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozess. Durch die militärische Intervention der UdSSR und vier weiterer Staaten des Warschauer Paktes wurde dieser Prozess gewaltsam unterbunden. Man beklagte 94 Todesopfer. Diese wurden durch die Breschnew-Doktrin pseudo- legitimiert.
Das, was sich auf den Straßen zutrug, wird teilweise durch Originaleinblendungen dargestellt.
Worum geht es?
Der in Prag lebende Hirn-Chirurg Tomas (Daniel Day-Lewis), ein sehr hagerer, leicht unterkühlter Mann, dessen erotische Ausstrahlung mir erst - wenn überhaupt - auf den dritten Blick auffiel, ist polygam veranlagt und lebt seine diesbezüglichen Neigungen voll aus.
Mit seiner hocherotische, bildschönen Geliebten Sabina (Lena Olin), einer Künstlerin, die ähnlich wie er viele Affären hat, scheint er eine besonders zufrieden stellende körperliche Beziehung zu haben. Die beiden sind spürbar immer wieder sexuell voneinander in den Bann geschlagen. Sie haben Spaß am Moment und gehen anschließend stets erneut ihrer Wege.
Bürgerliche Bande streben sie offenbar nicht an. Die beiden genießen die Leichtigkeit des Seins, wenn man so will.
Auf dem Land lernt Tomas durch Zufall Teresa (Juliette Binoche), ein hübsches, leicht melancholisches, introvertiertes Mädchen kennen. Als die beiden auf einer Parkbank miteinander sprechen, liest Teresa gerade Tolstois Anna Karenina.
Zehn Tage später steht sie bei Tomas in Prag vor der Tür und zieht zunächst vorübergehend zu ihm in die Wohnung. Sie sucht einen Job in der Stadt. Zwischen den beiden entspinnt sich - wie könnte es anders sein - eine sexuelle Beziehung, die Thomas keineswegs veranlasst seinem polygames Liebesleben ein Ende zu setzen. Seine sexuellen Eskapaden haben nichts mit seinem Liebesleben zu tun.
Teresa leidet unter dieser Polygamie und versucht ihre Hauptwidersacherin Sabina mittels Fotoaufnahmen körperlich zu studieren. Es kommt zwischen den zwei Frauen sogar zu körperlichen Annährungen, die allerdings seitens Teresa keine lesbischen Komponenten beinhalten. Teresa kann nur dann erfüllenden Sex haben, wenn sie liebt.
Tomas ist ihre große Liebe, den sie mit anderen Frauen nicht teilen möchte.
Nach dem Ende des Prager Frühlings emigrieren die Protagonisten nach Genf, aber Teresa kehrt alsbald nach Prag zurück, weil sie sich für ein neues Leben zu schwach fühlt. Tomas folgt ihr, da er die Leichtigkeit des Seins, die er eigentlich genießt, ohne seine Frau nicht ertragen kann.
Er scheint sich ohne ihrer Nähe einsam zu fühlen. Ob das ein Indiz für Liebe ist, möchte ich allerdings bezweifeln.
In Prag bekommt Tomas wegen eines Artikels, den er im Prager Frühling verfasste, Ärger und darf nicht mehr als Hirn-Chirurg tätig sein.
Seine amourösen Abenteuer sind nach wie vor Teil seines Lebensinhaltes.
Erst der Tod vereint Teresa und Tomas auf ewig miteinander, wobei nach meiner Ansicht Tomas bei Sabina besser aufgehoben gewesen wäre.
Beindruckende, aber auch gleichzeitig beklemmende Bilder von Prag aus lang zurückliegender Zeit. Sehr gute, sehr nachdenkliche Dialoge.
Empfehlenswert.
Helga König
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