Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Der Stellvertreter (DVD)



Im  Gedenken an  den Dramatiker Rolf Hochhuth, verstorben am 13.5.2020

Der Film beruht auf dem gleichnamigen Schauspiel von Rolf Hochhuth. Thematisiert wird das humanitäre Versagen der katholischen Kirche - vor allem von Pius XII (dem Stellvertreter Gottes auf Erden) während der NS-Zeit. 

Der tiefgläubige Chemiker Gerstein (Ulrich Tukur) geht auf Betreiben seiner Vaters, eines strammen Nazis, zur Waffen-SS und ist dort für die Kontrolle von Zyklon B zuständig. Noch ahnt er nicht, dass mit diesem Giftstoff Millionen von Juden ermordet werden, noch glaubt er tatsächlich, dass man "Ungeziefer" im Osten ausrotten möchte. 

In Auschwitz angekommen, wird er eines Besseren belehrt. Eine Chance seinen Dienst zu quittieren, hat der Vater von vier Kindern nicht. So versucht er auf andere Weise gegen das Morden vorzugehen. Sabotage ist einer seiner Wege, ein anderer ist der vehemente Versuch den Vatikan und Diplomaten demokratischer Nationen aufzurütteln. 

Schon bald muss er feststellen, dass sich Nicht-Juden selten wirklich für die Juden einsetzen möchten. Der kaltblütige, äußerst perfide Lagerarzt ( Ulrich Mühe) - sieht sehr schnell die Gewissensqualen Gersteins und höhnt, dass es im Grunde christlich sei, die Qualität des Zyklon B so zu perfektionieren, damit die Juden einen schnelleren Tod erleiden. 

Man sieht die Massentransporte nach Auschwitz, auch sieht man die Massenerschießungen an der Bahn entlang. Diese Massenerschießungen mit anschließender Verbrennung finden statt, weil das Zyklon B nicht ausreicht. Die Brutalität der Nazi-Schergen ist nicht in Worte zu fassen. 

Gerstein nimmt Kontakt zur Kirche auf und lernt den jungen Jesuitenpater Riccardo Fontana (Mathieu Kassovitz) kennen. Dieser möchte im Vatikan vorsprechen, damit das Morden in aller Welt bekannt wird. Er hofft auf den Protest des Papstes. Der Papst allerdings hüllt sich in Schweigen. Er denkt nicht daran zu protestieren, sondern agiert einzig gemäß seinen Machtinteressen, die unter dem Deckmantel der Diplomatie sprachlich relativiert werden. 

Selbst als man römische Juden nach Auschwitz deportiert, handelt Pius XII nicht. Sein Feind ist der Kommunismus, der von Hitler in seinen Augen in Schach gehalten wird. Dafür nimmt der Papst offenbar den Tod der Juden billigend in Kauf. Mit den Gedanken der Bergpredikt ist dieses Verhalten jedenfalls nicht vereinbar. 

Der zutiefst mitfühlende Riccardo wird auf Betreiben des Lager-Arztes, der sich als "ein bisschen katholisch" bezeichnet, vergast. Der Protestant Gerstein erhängt sich, weil er den Gewissenskonflikt und die Schuld, die er durch das Herstellen von Zyklon B auf sich geladen hat, nicht mehr erträgt. 

Hochhut zeigt, dass das Böse sich nicht nur im Tun, sondern auch im Wegsehen manifestiert. Unerträglich mit anzusehen, was Vorteilsdenken und Machtgier aus Menschen macht, unerträglich diese Verblendung..... 

Wo war der christliche Gedanke- der Gedanke tiefster Menschenliebe - im Vatikan jener Tage? Wieso bezog die Nächstenliebe nicht auch die Menschen jüdischen Glaubens mit ein? 

 Ein sehr kritischer, hervorragender Film.

Maximal empfehlenswert

Helga König

Lou Andreas-Salomé- DVD

Dies ist ein Film  über das Leben von Lou Andreas- Salomé, die weitgereiste Schriftstellerin, Essayistin und Psychoanalytikerin, die am 12. Februar 1861 in Sankt Peterburg geboren wurde und am 5. Februar 1937 in Göttingen starb. 

Zu Beginn sieht man Flammen. Man befindet sich im Jahr 1933. Die Deutsche Studentenschaft verbrennt Bücher verfemter Autoren, tut das auch in Göttingen. Die Bücher des Psychoanalytikers Sigmund Freud, bei dem Lou Andreas Salomé einst studiert hat, werden ebenfalls dem Feuer übergeben.

Lou ist zu diesem Zeitpunkt 72 Jahre alt und schwer an Diabetes erkrankt. Deshalb auch sieht sie sehr schlecht und ist froh als sie den jungen Germanisten und Doktoranten Ernst Pfeiffer kennenlernt, der ihre Lebenserinnerungen, die sie ihm im Film erzählt, aufschreibt. 

So erlebt man Lou, sich erinnernd,  zunächst als Kind in Petersburg. Sie ist das einzige Mädchen von insgesamt sechs Kindern und darf als Liebling ihres Vaters freier leben als dies für Mädchen in der damaligen Zeit üblich ist.

Ihre Intelligenz treibt sie zur Lektüre von Büchern. Sie liest schon jung an Jahren Philosophen wie Aristoteles und Spinoza. In ihren Hauslehrer, einen evangelischer Pfarrer, der doppelt so alt ist wie sie, hat sie sich verliebt. Als er ihr sich sexuell nähert, verweigert sie sich ihm und schwört zukünftig jeglicher Verliebtheit und Sexualität ab. 

Sie möchte frei sein und weiß, dass Männer aus ihr am Ende nur eine Hausfrau und Mutter machen wollen. Das lehnt sie ab und geht stattdessen nach Zürich, um dort Philosophie zu studieren. Als sie erkrankt, schickt ihre Mutter, die mit ihrem Studium nicht einverstanden ist, sie wegen ihres Lungenleidens zur Erholung nach Italien. 

Sie lernt im Salon von Frauenrechtlerin Malwida von Meysenbug  alsbald der Philosophen Paul Reé und durch ihn den Philosophen Friedrich Nietzsche kennen. Beide verlieben sich in sie. Beide wollen sie heiraten. Doch Lou akzeptiert nach wie vor keine körperliche Beziehung. Sie sublimiert und entwickelt sich auf diese Weise geistig immer mehr. Sie möchte die beiden als Gesprächspartner, nicht aber im Bett.

Mit dem 15 Jahre älteren Orientalisten Friedrich Carl Andreas geht sie schließlich eine Ehe ein, die an die Übereinkunft gebunden ist, keinen Sex miteinander zu haben Sie schreibt alsbald ihr erstes Buch und lernt den um 15 Jahre jüngeren Dichter Rainer Maria Rilke kennen, mit dem sie nicht nur eine geistige, sondern auch eine körperliche Beziehung pflegt, weil sie sich ihm in jeder Beziehung  sehr nahe fühlt und spürt, dass er sie nicht dominieren möchte. Rilke strebt eine Symbiose mit ihr an. Deshalb verlässt sie ihn.

Man erlebt Lou in den Folgejahren als anerkannte Intellektuelle. Mittlerweile hat sie immer wieder auch erotische Affären, die sie aber nicht an ihrem Weg hindern, dem Weg frei zu leben. In einem solchen Leben hat die Liebe keinen Platz für sie.  Das weiß sie genau.

Man erlebt im Film auch die Begegnung mit Sigmund Freud, bei dem sie dann studiert. Er hält sie für eine Narzisstin und liegt damit gewiss nicht falsch. Ob ihr Narzissmus das gesunde Maß überstiegen hat, lässt sich nach dem Film nicht einschätzen. 

Ich denke aber, dass Lou Andreas-Salomé genau so handeln musste, wie sie es tat, um als Intellektuelle in jener Zeit heranzureifen und zu bestehen 

Ein toller Film mit wunderbaren Schauspielern, ein Film mit viel Tiefe, der lange nachwirkt. 

Besonders beeindruckt hat mich die schauspielerische Leistung von Nicole Heesters, die die 72 jährige Lou spielt. Sehr ausdrucksstark und authentisch. 

Das Drehbuch und die Regie von Cordula Kablitz-Post  sind  erste Sahne. Sehr subtil.

Maximal empfehlenswert

Helga König

Onlinebestellung bitte hier klicken: Amazon