Es war eine der großartigsten und faszinierendsten Geschichten im Motorsport: Der
Kampf von Ford gegen Ferrari um die Vorherrschaft bei den bedeutenden SportwagenLangstreckenrennen
in den 1960er Jahren. Im Vordergrund stand das Ziel, bei den 24
Stunden von Le Mans zu triumphieren. Die Ursprünge, die Entwicklung und den Ausgang
dieses epochalen Duells eines milliardenschweren US-Konzerns mit einem damals kleinen
italienischen Renn- und Sportwagenhersteller dokumentiert der Film "The 24 Hour War" auf beeindruckende und begeisternde Weise.
Henry Ford II. verfolgte mit großem Interesse die Siegesserie von Ferrari bei den 24
Stunden von Le Mans Anfang der 1960er Jahre. Zugleich war sein Unternehmen – obwohl
zu den „Großen Drei“ im Automobilbau der USA gehörend – durch die Marktbeherrschung
von General Motors und den aufstrebenden Chrysler-Konzern in Zugzwang geraten. Ford
sah es, gerade auch im Hinblick auf die äußerst erfolgreiche Chevrolet Corvette, als
zielführend an, die Marktanteile durch spektakuläre Erfolge im Automobilsport
auszuweiten. Ford unterbreitete Ferrari 1963 ein Übernahmeangebot, das der
Commendatore nach längeren Verhandlungen schließlich ausschlug. Dies brachte Henry
Ford so auf, dass er nun um fast jeden Preis mit einem eigenen Rennsportwagen Ferrari
beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans bezwingen wollte. Anknüpfend an die Erfolge
Carroll Shelbys mit den bulligen Ford Cobra und dem Cobra Daytona Coupé in der GTKlasse
stellten die Ingenieure von Ford den legendären GT40 auf die Räder, der nach
einigen Misserfolgen schlussendlich doch Ferrari in Le Mans schlagen und den
Langstreckenklassiker von 1966 bis 1969 gewinnen konnte.
Um die entgegengesetzte Ausgangslage der beiden Unternehmen vor dem Zweikampf zu
verdeutlichen, steigen die Produzenten tief in die Historie ein: Ferrari, der den Motorsport
als seine Leidenschaft mit dem für ihn eher lästigen Verkauf hochkarätiger Sportwagen zu
finanzieren versuchte – Ford, der den Verkauf durch Sporterfolge ankurbeln wollte. Neben
herrlichen zeitgenössischen Aufnahmen erlangt die Dokumentation durch Äußerungen von
Zeitzeugen besondere Authentizität. Für Ferrari kommen der bekannte und im letzten Jahr
verstorbene Automobil-Historiker und Buchautor Brian Laban, Carlo Tazzioli, Mauro
Forghieri und Enzo Ferraris Sohn Piero zu Wort. Die Geschichte von Ford erläutern u.a.
Henry Ford III als der Urenkel des Firmengründers und Edsel Ford II als Sohn von Henry
Ford II. Sehr erhellend werden sowohl die Situation auf dem US-Markt als auch die
speziellen Probleme im Rennteam von Ferrari herausgearbeitet, das Anfang der 1960er
Jahre zahlreiche hochrangige Mitglieder nach internen Querelen mit Enzo Ferraris Frau
Laura verlassen hatten und dessen Schicksal fortan in den Händen des jungen Mauro
Forghieri lag. Geradezu humorvoll geben Piero Ferrari und Carlo Tazzioli das sehr
eigenwillige Verhalten Enzo Ferraris bei den Verhandlungen mit Ford wieder. Denn nach
dem Korb, den der stolze Italiener dem amerikanischen Konzern gegeben hatte, sicherte
er später auf hoch intelligente Weise die Zukunft seines Unternehmens durch die
Zugehörigkeit zum Fiat-Konzern.
Zahlreiche Techniker beschreiben die durch wunderbare Originalaufnahmen belegte
Entwicklung sowohl der Mittelmotor-Prototypen von Ferrari vom 250 P bis zum 330 P4 als
auch des seinerzeit revolutionären Ford GT 40 und seiner Varianten Mk.II und Mk. IV.
Selbst das später nie zum Renneinsatz gekommene J-Car von Ford wird gezeigt und auf
den mit diesem Wagen erlittenen tödlichen Unfall von Ken Miles bei Testfahrten in
Riverside eingegangen. Groß ist die Zahl bekannter Rennfahrer, die ihre Erinnerungen an
das Geschehen einfließen lassen: Jackie Oliver, David Hobbs, Brian Redman, Richard
Attwood, Dan Gurney, Mario Andretti, John Surtees. Dabei bleiben auch die Umstände, die
zu John Surtees' Trennung von Ferrari führten, nicht unerwähnt, bis hin zur Ausleuchtung
des intriganten Verhaltens des damaligen Rennleiters von Ferrari, Eugenio Dragoni.
Für mich persönlich stellen die Originalaufnahmen von den großen Langstreckenrennen
1965 und 1966 in Daytona, Sebring und Le Mans einen weiteren Höhepunkt des Films
dar. Damals gab es kaum Rennübertragungen, so dass derartiges Filmmaterial wirklich
Seltenheitswert hat. Nach den krachenden Niederlagen, die Ford 1964 und 1965 in Le
Mans gegen Ferrari kassiert hatte, gipfelt die Dokumentation in den Berichten über die
Ford-Siege 1966 und 1967, zuletzt errungen gegen die bildschönen Ferrari 330 P4, die
1967 trotz der Le-Mans-Niederlage doch noch im letzten Lauf in Brands Hatch den Titel in
der Internationalen Meisterschaft für Sport-Prototypen für die Scuderia Ferrari sicherten.
Das allerdings störte Ford nicht mehr, für die Amerikaner war der Sieg in Le Mans das
entscheidende Kriterium. Mit diesem Sieg 1967 begründeten übrigens Dan Gurney und
A.J. Foyt die heute bei Siegerehrungen traditionelle Form der "Champagner-Dusche".
Ferrari und Ford waren in den Jahren von 1965 bis 1967 mit jeweils bis zu zehn
Fahrzeugen – verteilt auf unterschiedliche Bewerber-Teams – in Le Mans am Start. Heute
gilt es – zu Recht – als finanzieller und organisatorischer Gewaltakt, wenn eine
Werksmannschaft mit drei Prototypen antritt . . .
Zum Schluss der Dokumentation wird der Bogen zu den 24 Stunden von Le Mans 2015
und 2016 geschlagen – 2016 deshalb, weil sich der erste Ford-Sieg zum 50. Mal jährte
und Ford aus diesem Anlass mit vier neuen Ford GT in der Klasse GTE-Pro antrat und
diese auch – nicht zuletzt aufgrund einer etwas zweifelhaften Einstufung in der „Balance of
Performance“ (BOP) – auf Anhieb gewann.
"The 24 Hour War" ist in meinen Augen eine der besten Automobilsport-Dokumentationen
der letzten Jahre und für den, der diesen Kampf in den 1960er Jahren mitverfolgt hat, ein
wahres "Must Have".
Leider nicht vollkommen unkompliziert ist die Beschaffung des Films. Man kann ihn in den
USA bei der Produktionsfirma Chassy Media bestellen, allerdings sollte man dann über
einen Codefree-Player verfügen, da sowohl die DVD als auch die Blu-ray nur im
Regionalcode 1 für Nordamerika hergestellt werden. Ein anderer Empfangsweg ist der "amazon fire TV stick", über den der Film mit einem amazon prime"-Vertrag abgespielt
werden kann.
The 24 Hour War
Format: DVD bzw. blu-ray im Regionalcode für Nordamerika
Bildformat: 16:9
Laufzeit: 100 Minuten
Drehbuch und Regie: Adam Carolla, Nate Adams
Sprache: Englisch
Preis: $ 18,- plus Versand
Erhältlich über https://chassy.com/product/24-hour-war/
und über den amazon fire TV stick im Rahmen eines amazon-prime-Vertrages zu empfangen.