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Rezension Thomas Nehlert „The 24 Hour War“ DVD, Chassy Media, 2017

Es war eine der großartigsten und faszinierendsten Geschichten im Motorsport: Der Kampf von Ford gegen Ferrari um die Vorherrschaft bei den bedeutenden SportwagenLangstreckenrennen in den 1960er Jahren. Im Vordergrund stand das Ziel, bei den 24 Stunden von Le Mans zu triumphieren. Die Ursprünge, die Entwicklung und den Ausgang dieses epochalen Duells eines milliardenschweren US-Konzerns mit einem damals kleinen italienischen Renn- und Sportwagenhersteller dokumentiert der Film "The 24 Hour War" auf beeindruckende und begeisternde Weise. 

Henry Ford II. verfolgte mit großem Interesse die Siegesserie von Ferrari bei den 24 Stunden von Le Mans Anfang der 1960er Jahre. Zugleich war sein Unternehmen – obwohl zu den „Großen Drei“ im Automobilbau der USA gehörend – durch die Marktbeherrschung von General Motors und den aufstrebenden Chrysler-Konzern in Zugzwang geraten. Ford sah es, gerade auch im Hinblick auf die äußerst erfolgreiche Chevrolet Corvette, als zielführend an, die Marktanteile durch spektakuläre Erfolge im Automobilsport auszuweiten. Ford unterbreitete Ferrari 1963 ein Übernahmeangebot, das der Commendatore nach längeren Verhandlungen schließlich ausschlug. Dies brachte Henry Ford so auf, dass er nun um fast jeden Preis mit einem eigenen Rennsportwagen Ferrari beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans bezwingen wollte. Anknüpfend an die Erfolge Carroll Shelbys mit den bulligen Ford Cobra und dem Cobra Daytona Coupé in der GTKlasse stellten die Ingenieure von Ford den legendären GT40 auf die Räder, der nach einigen Misserfolgen schlussendlich doch Ferrari in Le Mans schlagen und den Langstreckenklassiker von 1966 bis 1969 gewinnen konnte. 

Um die entgegengesetzte Ausgangslage der beiden Unternehmen vor dem Zweikampf zu verdeutlichen, steigen die Produzenten tief in die Historie ein: Ferrari, der den Motorsport als seine Leidenschaft mit dem für ihn eher lästigen Verkauf hochkarätiger Sportwagen zu finanzieren versuchte – Ford, der den Verkauf durch Sporterfolge ankurbeln wollte. Neben herrlichen zeitgenössischen Aufnahmen erlangt die Dokumentation durch Äußerungen von Zeitzeugen besondere Authentizität. Für Ferrari kommen der bekannte und im letzten Jahr verstorbene Automobil-Historiker und Buchautor Brian Laban, Carlo Tazzioli, Mauro Forghieri und Enzo Ferraris Sohn Piero zu Wort. Die Geschichte von Ford erläutern u.a. Henry Ford III als der Urenkel des Firmengründers und Edsel Ford II als Sohn von Henry Ford II. Sehr erhellend werden sowohl die Situation auf dem US-Markt als auch die speziellen Probleme im Rennteam von Ferrari herausgearbeitet, das Anfang der 1960er Jahre zahlreiche hochrangige Mitglieder nach internen Querelen mit Enzo Ferraris Frau Laura verlassen hatten und dessen Schicksal fortan in den Händen des jungen Mauro Forghieri lag. Geradezu humorvoll geben Piero Ferrari und Carlo Tazzioli das sehr eigenwillige Verhalten Enzo Ferraris bei den Verhandlungen mit Ford wieder. Denn nach dem Korb, den der stolze Italiener dem amerikanischen Konzern gegeben hatte, sicherte er später auf hoch intelligente Weise die Zukunft seines Unternehmens durch die Zugehörigkeit zum Fiat-Konzern. 

Zahlreiche Techniker beschreiben die durch wunderbare Originalaufnahmen belegte Entwicklung sowohl der Mittelmotor-Prototypen von Ferrari vom 250 P bis zum 330 P4 als auch des seinerzeit revolutionären Ford GT 40 und seiner Varianten Mk.II und Mk. IV. Selbst das später nie zum Renneinsatz gekommene J-Car von Ford wird gezeigt und auf den mit diesem Wagen erlittenen tödlichen Unfall von Ken Miles bei Testfahrten in Riverside eingegangen. Groß ist die Zahl bekannter Rennfahrer, die ihre Erinnerungen an das Geschehen einfließen lassen: Jackie Oliver, David Hobbs, Brian Redman, Richard Attwood, Dan Gurney, Mario Andretti, John Surtees. Dabei bleiben auch die Umstände, die zu John Surtees' Trennung von Ferrari führten, nicht unerwähnt, bis hin zur Ausleuchtung des intriganten Verhaltens des damaligen Rennleiters von Ferrari, Eugenio Dragoni. 

Für mich persönlich stellen die Originalaufnahmen von den großen Langstreckenrennen 1965 und 1966 in Daytona, Sebring und Le Mans einen weiteren Höhepunkt des Films dar. Damals gab es kaum Rennübertragungen, so dass derartiges Filmmaterial wirklich Seltenheitswert hat. Nach den krachenden Niederlagen, die Ford 1964 und 1965 in Le Mans gegen Ferrari kassiert hatte, gipfelt die Dokumentation in den Berichten über die Ford-Siege 1966 und 1967, zuletzt errungen gegen die bildschönen Ferrari 330 P4, die 1967 trotz der Le-Mans-Niederlage doch noch im letzten Lauf in Brands Hatch den Titel in der Internationalen Meisterschaft für Sport-Prototypen für die Scuderia Ferrari sicherten. Das allerdings störte Ford nicht mehr, für die Amerikaner war der Sieg in Le Mans das entscheidende Kriterium. Mit diesem Sieg 1967 begründeten übrigens Dan Gurney und A.J. Foyt die heute bei Siegerehrungen traditionelle Form der "Champagner-Dusche". Ferrari und Ford waren in den Jahren von 1965 bis 1967 mit jeweils bis zu zehn Fahrzeugen – verteilt auf unterschiedliche Bewerber-Teams – in Le Mans am Start. Heute gilt es – zu Recht – als finanzieller und organisatorischer Gewaltakt, wenn eine Werksmannschaft mit drei Prototypen antritt . . . 

Zum Schluss der Dokumentation wird der Bogen zu den 24 Stunden von Le Mans 2015 und 2016 geschlagen – 2016 deshalb, weil sich der erste Ford-Sieg zum 50. Mal jährte und Ford aus diesem Anlass mit vier neuen Ford GT in der Klasse GTE-Pro antrat und diese auch – nicht zuletzt aufgrund einer etwas zweifelhaften Einstufung in der „Balance of Performance“ (BOP) – auf Anhieb gewann.

"The 24 Hour War" ist in meinen Augen eine der besten Automobilsport-Dokumentationen der letzten Jahre und für den, der diesen Kampf in den 1960er Jahren mitverfolgt hat, ein wahres "Must Have". 

Leider nicht vollkommen unkompliziert ist die Beschaffung des Films. Man kann ihn in den USA bei der Produktionsfirma Chassy Media bestellen, allerdings sollte man dann über einen Codefree-Player verfügen, da sowohl die DVD als auch die Blu-ray nur im Regionalcode 1 für Nordamerika hergestellt werden. Ein anderer Empfangsweg ist der "amazon fire TV stick", über den der Film mit einem amazon prime"-Vertrag abgespielt werden kann. 


The 24 Hour War Format: DVD bzw. blu-ray im Regionalcode für Nordamerika 
Bildformat: 16:9 Laufzeit: 100 Minuten 

Drehbuch und Regie: Adam Carolla, Nate Adams 
Sprache: Englisch Preis: $ 18,- plus Versand 
Erhältlich über https://chassy.com/product/24-hour-war/ und über den amazon fire TV stick im Rahmen eines amazon-prime-Vertrages zu empfangen.