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Rezension: Claude Chabrol: Der Riss

Vor einigen Tagen ist der Pariser Regisseur Claude Chabrol verstorben. Er war bekannt dafür, dass er die französische Bourgeoisie kritisierte und genau das auch geschieht in seinem hier vorliegenden, hervorragenden Werk.

Die Handlung nimmt ihren Anfang in einer Pariser Vorstadtwohnung. Dort versucht in der ersten Szene ein geisteskrank erscheinender Mann, wie man später erfährt heißt er Charles Règnier (Jean-Claude Drouot), die schöne Hélène (Stèphane Audran), es ist seine Ehefrau, im Wahn zu erdrosseln. Als sie sich wehrt, greift er sich den gemeinsamen kleinen Sohn und schleudert ihn wie von Sinnen durch die Luft. Das Kind schlägt mit dem Kopf auf dem Boden auf. Hélène greift eine Bratpfanne und bringt ihren verrückten Ehemann damit zu Fall. Der Szene ging kein Streit voraus. Charles ist, wie man wenig später erfährt, drogensüchtig und hat aufgrund dessen geistige Aussetzer.

Gottlob hat der Sohn keine schwere Kopfverletzung davon getragen. Im Krankenhaus muss er bleiben, weil er sein Bein gebrochen hat. Die fürsorgliche Hélène mietet sich in eine sehr kostengünstige Privatpension in der Nähe des Krankenhauses ein, um ihr Kind möglichst oft besuchen zu können. Sie hat kaum Geld und das, obschon ihre Schwiegereltern steinreich sind.

Von ihrem Mann, den sie immer noch liebt und den sie stets vor seinen Eltern beschützen wollte, möchte sie sich nachdem, was geschehen ist, scheiden lassen, um ihr Kind vor seinen Tobsuchtsanfällen zu schützen. Sie weiß, dass sich Charles Anfall wiederholen kann.

Hélène, selbst nicht drogensüchtig, hat den Lebensunterhalt für die kleine Familie verdient, während Charles versuchte, Gedichte und Prosatexte zu schreiben. Die beiden wollten materiell unabhängig von den Alten leben. Hélène hatte kein Problem damit, Alleinverdienerin zu sein.

Aufgrund der psychischen Belastungen, die elterliche Erwartungshaltungen nicht erfüllen zu können, begann Charles Drogen zu nehmen. Diese Drogen haben dem labilen Bourgeoisiespross den Verstand geraubt.

Man lernt das Elternhaus von Charles kennen. Sein Vater ist ein niederträchtiger, eiskalter, machtbessener, geldgeiler Fiesling, die Mutter ist eine ebenso herzlose, selbstbezogene höchst unangenehme Frau. Diese Eltern lehnen die herzensgebildete Hélène ab, weil sie nicht aus ihrer Gesellschaftschicht stammt und in ihren Augen nicht genügend gebildet ist. Ihre Feinheit und Tüchtigkeit sehen sie nicht.

Das ganze Sinnen der beiden besteht darin, die Liebesbeziehung zwischen ihrem Sohn und der Schwiegertochter zu zerstören und Hèlène das Sorgerecht für ihr Kind zu entziehen. Sie wollen diese starke Frau am Boden sehen.

Hélènes Schwiegervater ist jede Abgefeimtheit recht, um sie fertig zu machen. Der Alte schickt ihr Thomas (Jean-Pierre Cassel) auf den Hals, der dringend Geld braucht und sich zu miesesten Schandtaten korrumpieren lässt, um Hélènes Ruf zu ruinieren. Wird ihm dies gelingen?

Man fragt sich, wo der Hass auf die Schwiegertocher herrührt. Sind es nur die gesellschaftlichen Vorurteile? Was macht Menschen so bösartig und niederträchtig? Wieso ist es manchen Menschen nicht möglich, einfach mal hinzusehen wie das Gegenüber wirklich ist? Fragen dieser Art drängen sich bei Chabrols Film immer wieder auf. Genau dies hat er vermutlich bezweckt.

Die Bild- und Tonqualität sind bestens. Ich staune stets über die subtilen, intellektuellen Dialoge in Chabrols Filmen und seine meisterlich psychologischen und gesellschaftskritischen Betrachtungen.

Empfehlenswert.

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