Den Roman "Effi Briest" von Fontane habe ich in früheren Zeiten einige Male gelesen und mir drei unterschiedliche Verfilmungen angeschaut. Die jetzige Verfilmung der Regisseurin Hermine Huntgeburth hat mir am besten gefallen, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich filmische Freiheiten erlaubt und das Ende des Films dem Verhalten der Dame, die Fontane als Romanvorlage diente, angepasst hat. Diese Dame wurde übrigens 98 Jahre alt.
Gezeigt wird die Geschichte einer jungen Frau (Julia Jentsch) im vorletzten Jahrhundert, deren Mutter sie - nicht zuletzt aus Standesgründen- dazu nötigt einen 17 Jahre älteren Mann zu heiraten. Dieser Mann ist Baron von Instetten (Sebastian Koch). Die Mutter dieses Mädchens namens Effi Briest war in jungen Jahren die Geliebte des damals mittellosen Barons und entschied sich trotz intensiver Zuneigung dazu den älteren, wohlhabenden Gutsbesitzer Briest zu heiraten. Sie schenkt ihrem damaligen Liebhaber durch die Hand ihrer Tochter eine zweite Chance.
Effi ergibt sich zunächst in ihr Schicksal, ganz Kind ihrer Zeit, heiratet und zieht mit ihrem Gatten nach Kessin an die Ostsee. Dort ist der pedantische, äußerst zugebretterte von Instetten Landrat. Effi langweilt sich in der Provinz zu Tode, fühlt sich von ihrem Gatten unverstanden und geht ein Verhältnis mit dem Frauenhelden Major von Crampas ein. Mit ihm erlebt sie in einer Fischerhütte das erste Mal sexuelle Erfüllung und genießt die Freiheit sexueller Lust. Baron von Instetten ist ein erfüllendes Liebesspiel fremd. Sein ehelicher Akt ist ohne Erotik und Zärtlichkeit. Neudeutsch ausgedrückt: der Akt ist in jeder Beziehung abtörnend. Dies macht der Film unmissverständlich deutlich. Der "Fehltritt" Effis mit Crampas wird von Instetten erst nach Jahren entdeckt. Keineswegs aus Leidenschaft, sondern aus Komment und Pedanterie tötet er den einstigen Liebhaber schließlich im Duell. Die Ehe wird geschieden. Effi lebt in der Folge materiell weit unter ihren Stand, aber sie verfällt nicht in eine tiefe Depression und sie stirbt nicht an Gram und Einsamkeit wie Fontanes Effi im Buch......
In den Kommentaren wird gut nachvollziehbar erklärt, weshalb sich die Regisseurin zu diesem Ende entschieden hat. Bei einigen Zuschauern sorgte die mangelnde Textnähe am Schluss für viel Aufregung. Was ist daran verwerflich sich künstlerische Freiheiten zu gönnen, insbesondere wenn man diese klug begründen kann? Huntgeburth tut dies übrigens in den Extras.
Effi ist ein wildes, nachdenkliches, freiheitsliebendes Mädchen, die sich ausprobieren möchte. Einige Jahre nach dem Erscheinen dieses Romans hat Franziska von Reventlow gezeigt, dass es keineswegs so abwegig war, noch größere Schritte in die Selbstbestimmung zu wagen, auch wenn dies mit immensen Schwierigkeiten verbunden war.
Ich fand das Interview mit Julia Jentsch sehr interessant, weil diese junge Frau die Person der Effi sehr gut begriffen hat und sie deshalb auch überzeugend spielte. Koch macht in seinem Interview deutlich, dass die Menschen, auch von Instetten, Kinder ihrer Zeit waren und zumeist unreflektiert nach den Vorstellungen der "Wilhelminischen Ära" agierten. Nur wenige Ausnahmemenschen getrauten sich Korsett der Konventionen zu lockern oder gar abzulegen. Effi war eine Frau, die einen solchen Ausnahmemenschen darstellte. Das wird im Film zum eigentlichen Thema gemacht.
Sehr schöne Innen- und Außenaufnahmen versetzen den Zuschauer in die Gründerzeit. Berlins Prachtstraße "Unter den Linden" wurde für einen Tag mit viel Aufwand in alte Zeiten zurückverwandelt. Die Schauspieler spielen exzellent, besonders Julia Jentsch, die wie keine Schauspielern zuvor in das Wesen Effis geschlüpft ist.
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